WARUM GÄHNEN WIR? | TMX BLOGARTIKEL
Gähnen gilt als Zeichen für Müdigkeit und Schlafmangel. Über die Ursache und Bedeutung des natürlichen Atemreflexes gibt es zahlreiche Theorien, aber aus welchem Grund gähnen wir wirklich und warum ist es so ansteckend? In diesem Blog erfährst du, was hinter dem „Mythos Gähnen“ steckt und wie das Gähnen wirklich mit unserem Schlaf zusammenhängt.
Das Phänomen Gähnen
Als Gähnen bezeichnen wir den unwillkürlich und natürlich auftretenden, starken Reflex, unseren Mund aufzureißen und tief durchzuatmen. Bis zu sechs Sekunden dauert Gähnen bei uns Menschen und wie die meisten Wirbeltiere auch gähnen wir Menschen täglich, etwa 250.000-mal in unserem Leben. Gähnen tritt verstärkt morgens und in den Abendstunden auf und wird daher oft in Zusammenhang mit fehlendem oder wenig erholsamen Schlaf gebracht. Tatsächlich gähnen wir zwar häufiger, wenn wir müde sind, aber eben auch in Zuständen von starker Konzentration, Hunger oder Stress.
Was passiert beim Gähnen?
Beim Gähnen handelt es sich um einen natürlichen Reflex, den wir nur bedingt unterdrücken oder verhindern können – und das aus vermutlich gutem Grund. Wenn wir gähnen, wird die Muskulatur des Mund- und Gesichtsbereichs angespannt und auch die restliche Körpermuskulatur, besonders die Brust- und Nackenmuskeln, verfestigen sich. Das Zwerchfell hebt und senkt sich und unsere Herzfrequenz und Durchblutung steigen kurzfristig an. Die tiefe Atmung und kurzzeitige Weitung der Atemwege versorgen die Lunge einmalig mit mehr Luft und stellen auf diese Weise auch mehr Sauerstoff zur Verfügung.
Warum gähnen wir?
Was genau den "Gähnreflex" auslöst und wozu dieses Verhalten wirklich dient, ist bis heute nicht wissenschaftlich erwiesen. Obwohl dieser Glaube weit verbreitet ist, scheint häufiges Gähnen aber kein direktes Anzeichen für schlechten oder ungenügend Schlaf zu sein. Zu den Auslösern und positiven Effekten des Gähnens gibt es einige unterschiedliche Theorien. Wir stellen dir die drei Prominentesten vor:
Theorie I: Gähnen ist eine Reaktion auf Sauerstoffmangel und Müdigkeit
Lange Zeit hat man angenommen, dass das Gähnen als Reaktion auf einen Sauerstoffmangel erfolgt und infolgedessen dazu dient, die Sauerstoffzufuhr zu erhöhen und den Kohlendioxidspiegel im Blut zu verringern. Weil ein akuter Sauerstoffmangel häufig mit starker Müdigkeit assoziiert wird, wurde das Gähnen dementsprechend als eine natürliche Reaktion auf die Schläfrigkeit verstanden, mit der unser Körper die Sauerstoffzufuhr erhöhen und sich wachhalten möchte. Aber stimmt das? Leider nein! Studien zeigen heute, dass die Sauerstoffversorgung keinerlei Einfluss auf die Häufigkeit des Gähnens hat und kein expliziter Auslöser ist.
Theorie II: Gähnen macht wach und aufmerksam
Viele Forscher:innen gehen davon aus, dass Gähnen tatsächlich dazu dient, sich wach zu halten oder die Aufmerksamkeit zu steigern. Zugegeben: Wir gähnen besonders oft in langweiligen Situationen und bei eher monotonen Tätigkeiten. Das mit der Atmung einhergehende Strecken und Dehnen aktiviert den Kreislauf. Eine Studie aus der Schweiz zeigt allerdings, dass die Stärke der Hirnaktivität vor und nach dem Gähnen nahezu gleich ist.
Theorie III: Gähnen kühlt das Gehirn und steigert so die Konzentration
Aktuelle Untersuchungen lassen vermuten, dass ausgiebiges Gähnen unser Gehirn kühlt und somit der Thermoregulation unserer Hirntemperatur dient. Unser Gehirn arbeitet stetig und erzeugt dabei Wärme. Nach dem Schlafen und bei Müdigkeit ist die Hirntemperatur grundsätzlich erhöht – genau in diesen Situationen gähnen wir besonders häufig. Durch die kurzfristige Erhöhung der Herzfrequenz während des Gähnens kann mehr kühles Blut in die Hirnregionen gelangen und die Gehirntemperatur wieder gesenkt werden. Die Folge: Das Gehirn wird vor einer Überhitzung geschützt, eine optimale Arbeitstemperatur bleibt erhalten und die Konzentrations- sowie mentale Leistungsfähigkeit wird erhöht. Diese Vermutungen werden von weiteren Studien und Experimenten gestützt und entsprechen dem aktuell gültigen Forschungsstand.
Wieso ist Gähnen ansteckend?
„Wenn einer gähnt, gähnen alle.“ – Jede:r von uns kennt die ansteckende Wirkung des Gähnens. Die Neurowissenschaft führt das auf die Aktivierung der sogenannten Spiegelneuronen zurück. Das sind besondere Strukturen in unserem Gehirn, die auch mit dem Einfühlungsvermögen und der Empathie zusammenhängen und uns dazu bringen, das Verhalten anderer zu „spiegeln“ und zu imitieren.
Wusstest du, dass es für viele Menschen bereits ausreicht, vom Gähnen zu lesen oder daran zu denken, um ebenfalls zu gähnen?
Was kann ich gegen häufiges Gähnen tun?
Basierend auf der Theorie, dass Gähnen zur Thermoregulation unseres Gehirns dient, kann es helfen, eher durch die Nase als durch den Mund zu atmen – hier wird die einströmende Luft bereits gereinigt und „temperiert“. Das Gähnen selbst ist ein harmloser und ungefährlicher Reflex. Das Unterdrücken ist aus medizinischer Sicht aber eher ungesund und sollte deshalb nicht zur Regel werden. Nimm es dir also nicht zu Herzen, wenn dein Gegenüber während eures Gesprächs vermehrt gähnen sollte.
FAZIT
Gähnen bezeichnet den unwillkürlich und natürlich auftretenden Reflex, den Mund weit zu öffnen und tief durchzuatmen. Die Ursache für Gähnen ist nicht gänzlich bekannt, aber Sauerstoffmangel oder Müdigkeit gelten mit zunehmender Wahrscheinlichkeit nicht mehr als Auslöser, dafür mit steigender Wahrscheinlichkeit aber die Thermoregulation des Gehirns. Gähnen ist zwar ansteckend, aber absolut ungefährlich und sollte nicht unterdrückt werden.